Die Rekonstruktive Chirurgie beschäftigt sich mit der Wiederherstellung von Körperfunktionen und -oberflächen nach Tumor, Unfall oder Krankheit.
Die Defektdeckung betrifft die Wiederherstellung der Körperoberfläche. Dabei ist, wenn ein direkter Wundverschluss nicht erzielt werden kann, eine Gewebetransplantation (Haut, Haut + Fett, Nerven, Muskulatur, Gewebeblöcke zusammengesetzt aus unterschiedlichen Gewebearten) erforderlich. Es kann Gewebe von aus der Nähe des bestehenden Defektes verschoben werden oder von anderen Körperstellen frei transplantiert werden. Welches Gewebe wie transplantiert wird, hängt von dem vorliegenden Defekt und dem Ort der Defektstelle ab.
In der Regel wird versucht, eine Rekonstruktion über eine defektnahe Gewebeverschwenkung zu erzielen, da aufgrund der ähnlichen Oberflächenbeschaffenheit des vorliegenden Gewebes das Resultat unauffällig ist. Dazu wird das oberflächliche Gewebe gelöst (sog. Mobilisation) und in den Defekt verschoben.
Dies ist nicht möglich, wenn durch die Verschiebung die Funktionalität des Spenderareals gefährdet ist oder die dort entstehenden sog. Sekundärdefekte problematische Defektverschlüsse erfordern. Manchmal ist auch aufgrund der Größe der Defektwunde eine Gewebeverschiebung nicht möglich oder nicht ausreichend. In diesen Fällen wird die freie Gewebetransplantation von defektfernem Gewebe notwendig. Dabei kann es sich lediglich um eine Hauttransplantation handeln oder eine mikrochirurgische Rekonstruktion mit der Notwendigkeit von Gefäßanastomosen notwendig werden.
Gefäßanastomosen sind direkte Verbindungen von Blutgefäßen, die mit dem Gewebe entnommen werden, mit den Blutgefäßen, die sich im Bereich der Wunde befinden. Diese werden durch Nähte erzielt. Da es sich hier um feinstes Nahtmaterial handelt und die Blutgefäße einen sehr kleinen Durchmesser haben, werden diese Anschlüsse unter dem Mikroskop durchgeführt, daher der Ausdruck Mikrochirurgie.
Der Erfolg der Gewebstransplantation ist insbesondere von der Durchblutung des transplantierten Wundgrundes und des Transplantates abhängig. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die bestehende Durchblutung zu erhalten und nicht durch äußere Einflüsse - wie z.B. Rauchen - zu gefährden. Postoperativ wird die Durchblutung bei freien Gewebetransplantationen regelmäßig kontrolliert und durch blutverdünnende Maßnahmen gefördert. Letztere sind auch nach der Entlassung für einen Zeitraum von 3 Monaten fortzusetzen.
Außerdem ist es entscheidend, Wundheilungsstörungen durch Ansammlungen von Wundwasser zu vermeiden, das das transplantierte Gewebe von seinem neuen Untergrund ablöst. Dazu werden am Ende der Operation Drainagen eingelegt, die die Flüssigkeit ableiten. Diese können erst dann entfernt werden, wenn eine Wundwassermenge erreicht ist, die der Körper selbständig absorbieren kann.
Bei Hauttransplantationen wird die Durchblutung durch den Wundgrund erzielt, es bilden sich mit der Zeit kleine Gefäße, die die transplantierte Haut versorgen. Dazu muss die Haut mit dem Untergrund verkleben und einheilen. Unterstützt wird dieser Prozess, wenn möglich durch komprimierende Verbände, die in den ersten Tagen nach der Operation nicht gewechselt werden, um den erzeugten Druck möglichst konstant zu halten und nicht bei Verbandswechseln die Haut vom Untergrund abzulösen.
Die Dauer des stationären Aufenthaltes richtet sich nach der Art des Defektverschlusses und der Blutversorgung des transplantierten Gewebes sowie nach der Stabilität der Wunden.
Defekte im Gesicht entstehen vor allem durch Tumorerkrankungen, aber natürlich auch durch Unfälle.
Bei Tumoren im Gesicht erfolgt, wie auch bei der sonstigen Tumorchirurgie, zunächst die Exzision und die Untersuchung des Gewebes durch die Pathologie. Wenn der gesamte krankhafte Befund entfernt wurde, findet die Deckung des entstandenen Defektes statt. (vgl. auch Dermatochirurgie). Es finden hier die vorgenannten allgemein geäußerten Prinzipien zur Defektdeckung Anwendung.
Im Gesicht wird insbesondere die Deckung durch primäre Naht und durch lokal verschwenktes Gewebe versucht. Sind die Defekte zu groß, wird auch hier mittels Hauttransplantation gearbeitet, wobei diese in der Regel vom Hals oder aus der Leiste entnommen wird.
Die entstehenden Narben werden - soweit möglich - in die schon bestehenden oder mit dem Älterwerden zu erwartenden Falten gelegt.
Bei lokal verschwenktem Gewebe kann eine Entlassung dann erfolgen, wenn die veränderte Gewebeposition eine gute Durchblutung aufweist, das Risiko von Nachblutungen, Blutergüssen und Wundwasseransammlungen nicht mehr besteht und eine gute Heilungstendenz vorliegt. Das ist im Gesicht in der Regel nach 3-5 Tagen anzunehmen.
Bei Hautverpflanzungen wird meist nach 5 Tagen von einer ersten Stabilität der Einheilung ausgegangen. Bei Eingriffen im Gesicht, kann die Entlassung daher in der Regel nach 5-6 Tagen erfolgen, d.h. nach dem ersten Verbandswechsel.
Der Fadenzug erfolgt in der Regel nach 7-10 Tagen.
Rekonstruktive Brustchirurgie nach Tumoroperationen geht in der Regel mit freiem Gewebetransfer einher und erfolgt entweder durch Entnahme von Bauch/Leistenfettlappen (DIEP, SIEA), Gesäßfettlappen (SGAP, IGAP) oder durch Entnahme von Hautlappen vom Rücken (Latissimus dorsi) oder dem Oberschenkel (TMG). Auch eine Rekonstruktion der Brustwarze ist bei entsprechendem Bedarf möglich. Welche Rekonstruktionsform für Sie in Frage kommt, kann nur im persönlichen Beratungsgespräch ermittelt werden.
Postoperativ ist nach der Entfernung aller Drainagen ein angepasster BH zu tragen. Die Drainagen werden schrittweise entfernt, um eine Wundwasseransammlung zu vermeiden und Nachblutungen sicher auszuschließen. Der BH ist für 6 Wochen zu tragen. Der stationäre Aufenthalt beträgt in der Regel 7 Tage. Der Fadenzug selbst entfällt, da resorbierbares Nahtmaterial verwendet wird. Die Fadenenden werden nach 21 Tagen entfernt.
Rekonstruktionen am Körperstamm betreffen im klinischen Alltag insbesondere die Dekubitalchirurgie und die Rekonstruktion bei Wundheilungsstörungen nach Bauchoperationen oder Bypass-Operationen am Herzen (Sternumosteomyelitis). Auch hier finden die vorgenannten allgemein geäußerten Prinzipien zur Defektdeckung Anwendung.
Bei der Dekubituschirurgie wird in der Regel nach mehrmaligem Säubern der Wunde und Anlage von sogenannten Vakuumverbänden eine Deckung der Wunde durch die lokale Verschwenkung von Gesäßhaut, -fett und ggf. -muskulatur erzielt.
Bei immobilen Patienten wird anschließend eine Lagerung in einem entlastenden Bett (Sandbett) für bis zu 10 Tage durchgeführt. Dann kann bei entsprechender Stabilität der Wunde die Benutzung von Antidekubitusmatratzen erfolgen. Zeigt sich auch hier eine ausreichende Stabilität der Wunde, kann der Patient entlassen werden.
Nach einer Defektdeckung, die aufgrund von Dekubitalgeschüren erforderlich wurde, ist lebenslang auf eine Entlastung des transplantierten Bereiches bzw. eine regelmäßige Umlagerung des Patienten zu achten.
Wundheilungsstörungen nach Bauchoperationen werden in der Regel durch lokale Gewebetransplantationen, meist auch nach vorhergehender mehrmaliger Säuberung der Wunde und Vakuumtherapie behandelt.
Bei der Sternumosteomyelitis nach Bypassoperationen handelt es sich um eine Erkrankung des Brustbeins, nachdem dieses nach Anlage des Bypasses mit Metalldrähten wieder angenähert wurde. Es handelt sich hierbei um einen Knochendefekt, der sich auf das umliegende Weichgewebe ausweitet. Nach Entfernung des erkrankten Gewebes und meist erforderlicher Vakuumtherapie, kann eine Deckung in der Regel durch Mobilisierung der Brustmuskulatur und Hauttransplantation erfolgen. Manchmal ist auch die Verwendung von Rückenmuskulaturgewebe erforderlich.
Auch bei Defekten an den Extremitäten nach Vor-OP, Unfall oder Tumorerkrankung finden die vorgenannten allgemein geäußerten Prinzipien zur Defektdeckung Anwendung. Bei den Extremitäten gibt es im postoperativen Management aber aufgrund des Blutflusses und der im Alltag bodenwärts ausgerichteten Position Besonderheiten.
So ist bei Gewebsverpflanzungen eine Ruhigstellungsphase notwendig. Zudem muss die behandelte Extremität bei Verpflanzungen von Muskulatur, sei es lokal oder durch freien Gewebetransfer, zunächst für 7-10 Tage hochgelagert werden, um das Transplantat nicht zu überlasten. Es folgt dann eine schrittweise Belastung des Transplantates durch Vermehrung des Blutflusses im Sinne eines Herabhängenlassens des betroffenen Beines/Armes. Erst wenn dieses „Lappentraining“ abgeschlossen ist, kann eine Entlassung angestrebt werden. In der Regel nimmt dieses 1 Woche in Anspruch.
Eine Belastung der betroffenen Extremität kann mit Unterstützung durch Kompressionswäsche in der Regel erst nach 8-12-Wochen nach Entlassung erfolgen.