Hier im achten Stock, über den Dächern Eschweilers, sind die Farben blau, grün und weiß vorherrschend - und eine eigentümliche Ruhe. Hier darf nämlich nicht jeder eintreten, durch ein Schleusensystem gelangt man auf einen langen Flur, zur Linken viele große Glasscheiben, dahinter weitere Räume, allesamt gläsern miteinander verbunden. Man sieht Menschen in blauen Schutzkitteln, mit grünem Mundschutz und grünen OP-Hauben sowie Handschuhen versehen. Man fühlt sich erinnert an einen Hochsicherheitstrakt, an einen sehr sauberen allerdings, ja sogar sterilen: Willkommen im Zytostatikalabor des SAH.
In der Tat haben Sauberkeit und Sicherheit an diesem Ort oberste Priorität, denn hier erfolgt in direkter Nachbarschaft zur Onkologie die patientenindividuelle aseptische Zubereitung von Zytostatika durch onkologische Fach-PTA´s. Das sind pharmazeutisch-technische Assistentinnen mit einer Zusatzausbildung. Sie stellen am Tag acht Stunden lang unter Aufsicht der Apotheker Anja Holthaus und Berthold Freisleben Substanzen her, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung bei der Krebsbehandlung hemmen. In einem weiteren Laborraum findet zudem die sterile Herstellung von Infusionen und Spritzen zur Versorgung von Frühgeborenen und Schmerzpatienten statt.
Bevor eine PTA überhaupt in den Reinräumen des Labors arbeiten darf, muss sie vier Wochen lang keimfreies Arbeiten nachweisen können. Dazu muss sie sich den sehr strengen, engmaschigen Kontrollen stellen. Die keimfreie Arbeitsweise wird überprüft, indem anstelle von Zytostatika Nährlösungen aufgezogen werden, ebenso werden täglich von allen Oberflächen und den Händen der PTA`s Proben genommen und auf Keime getestet. Engmaschig kontrolliert werden auch Luftkeimzahl- und partikel in den sterilen Werkbänken, der Luftdruck und die Temperatur in den Reinräumen und Kühlschränken. Die Überprüfungen gehören allesamt zu den permanenten Umgebungskontrollen. Herrscht in einem Kühlschrank etwa nicht die vorgegebene Temperatur, gibt es einen Alarm. „All diese Abläufe garantieren eine qualitativ hochwertige Produktion von sicheren Arzneimitteln“, so die Apothekerin Anja Holthaus.
Im Jahr werden hier rund 20.000 individuell dosierte Zubereitungen von Zytostatika hergestellt. Für Ärzte und Pflegekräfte der versorgten Stationen bedeutet das eine erhebliche Entlastung, aus zeitlichen Gründen, aber auch aus denen der Sicherheit. Apotheker Berthold Freisleben: „Wir bereiten die Infusionsgabe schon so zu, dass die Stationen die Zubereitung direkt ankoppeln können. Das Infusionsschlauchstück, das angeschlossen wird, ist mit Kochsalzlösung gefüllt, so dass Kontamination beim Anhängen ausgeschlossen werden kann.“
Am Morgen, nach Anlegen von steriler Kleidung und Einschleusung der Mitarbeiterinnen, kann die Herstellung in einem „Zytostatikasicherheits-Isolator“ erfolgen: Der Apotheker prüft sehr sorgfältig im EDV-Herstellungsprogramm den Therapieplan des onkologischen Patienten (richtige Dosierung, richtige Medikamente, richtige Trägerlösung, richtiger Zeitpunkt etc.) Bei Unklarheiten, zum Beispiel einem unüblichen Therapieschema, hält er sofort Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und erst nach eindeutiger Klärung gibt er die Herstellung frei. Nach dem Etikettendruck stellt die PTA das Medikament her. Manche Zubereitungen benötigen einen sehr hohen Zeitaufwand. Dies kann zum Beispiel daran liegen, dass die Zytostatika noch nicht gelöst vorliegen. Oftmals ist es auch erforderlich, dass eine ganze Reihe von Ampullen aufgezogen werden muss, um die benötigte Dosis zu erreichen. Jeder Herstellungsschritt wird lückenlos in der EDV dokumentiert. „Man kann penibel nachvollziehen, wer wann was gemacht hat. Wenn etwas geändert wird wie die Dosis, wird dies sofort im PC dokumentiert“, erklärt Anja Holthaus.
Die sorgfältige Prozedur verlangt den Herstellenden höchste Konzentration ab. Daher wird der Herstellungsprozess nach dem Vier-Augen-Prinzip immer von einer Kollegin überwacht. Die fertige Zubereitung erhält das Etikett mit Patientennamen, Wirkstoff, Dosis sowie Herstellungsdatum und Aufbrauchfrist. Im PC leuchtet nun das grüne Lämpchen und der Apotheker kann die Zubereitung nach letzter Kontrolle freigeben.
Die Anforderungen an Zytostatikalabore haben sich in den vergangenen Jahren stark verschärft, erzählt Apotheker Berthold Freisleben, viele Labore müssen umgebaut werden. Jedes Haus kann sich das nicht leisten, daher profitieren nicht nur die Patienten des SAH von dem Neubau des Labors, welches 2016 eröffnet wurde. Auch die weiteren belieferten Krankenhäuser: das Hermann-Josef-Krankenhaus Erkelenz, das St.-Marien-Hospital in Düren Birkesdorf, das Bethlehem-Gesundheitszentrum Stolberg sowie das Elisabeth-Krankenhaus Geilenkirchen profitieren vom Qualitätsmanagement und der Zertifizierung des SAH-Zytostatikalabors.
Den größten Vorteil haben die onkologischen Patienten jedoch im St.-Antonius-Hospital, denn das Reinlabor befindet sich auf derselben Etage in direkter Nachbarschaft zur Onkologie. Berthold Freisleben: „Die Zusammenarbeit mit den Onkologen Tür an Tür ist toll, gekennzeichnet durch kurze Wege. Die Ärzte können Frau Holthaus etwa als Ansprechpartner für klinisch pharmazeutische Fragestellungen persönlich konsultieren. Sie ist Fachfrau, was mögliche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamente angeht oder wird konsultiert bei Umstellungen der Medikation oder möglichen Nebenwirkungen“. Auch der Chefarzt der Onkologie, Priv.-Doz. Dr. Peter Staib, ist froh: „Die Nähe zum Labor erleichtert die Zusammenarbeit sehr und sie verkürzt auch ganz wesentlich die Wartezeit für die Patienten.“