Die interventionelle Kardiologie befasst sich unter anderem mit der Behandlung von Herzkranzgefäßerkrankungen, bei denen ein Katheter eingesetzt wird. Es kommt vor, dass sich in einem Herzkranzgefäß schwerste Verkalkungen befinden, die man mit den üblichen Techniken, z.B. mittels Aufdehnung mit einem Ballon nicht behandeln kann. Unter anderem besteht die Gefahr, dass das Gefäß einreißt oder im schlimmsten Falle sogar platzt. Bislang ließen sich schwerst verkalkte Herzkranzgefäße nur mittels der sogenannten „Rotablationstechnik“ per Katheter therapieren. Bei diesem minimalinvasiven Eingriff, wird mit Hilfe einer Mini-Fräse die verkalkte Stelle im Gefäß aufgebohrt. Nun bietet die „Orbitale Atherektomie“ neue Chancen für die Behandlung dieses Krankheitsbildes.
Faszinierende Technologie
Ingo Maywald, der Sektionsleiter Kardiologie der Klinik für Innere Medizin im St.-Antonius-Hospital (SAH), ist fasziniert von den neuen Möglichkeiten: „Arterielle Verkalkungen, auch ‚Plaque‘ genannt, können hart wie Beton sein. Mit der herkömmlichen Rotablation, einem therapeutischen Verfahren zur Gefäßerweiterung, wurden arterielle Plaques durch einen Katheter mit diamantbeschichtetem rotierendem Fräskopf abgetragen.“ Ein wiederkehrendes Problem dabei ist allerdings, dass sich bei einem bestimmten Gefäßdurchmesser oftmals nur ein kleinerer Teil als Tunnel aufbohren lässt. Setzte man nun zum Beispiel eine Gefäßstütze (Stent) ein, konnte unter Umständen eine dünne Plaque-Schicht über dem Stent verbleiben. Restplaque-Stücke erhöhen wiederum das Risiko einer erneuten Engstelle des zuvor behandelten Gefäßes. Man spricht von der sogenannten „In-Stent-Stenose“. Keilförmige Verschlüsse in einem Gefäß bergen außerdem die Gefahr, dass sich der Bohrkopf einfach über die betroffene Stelle hinwegsetzt, sich festfährt oder es zu Beschädigungen des Blutgefäßes kommt.
Bisher nur an spezialisierten Herzzentren eingesetzt
Ingo Maywald weiter: „Das relativ neue Verfahren war bislang nur den großen, spezialisierten Herzzentren vorbehalten. Vorausschauend haben wir uns im SAH bereits frühzeitig um ein solches System bemüht. Das Geniale an der Orbitalen Atherektomie ist der schwingende Bohrkopf. Man kann sowohl vorwärts wie auch rückwärts bohren und so den gesamten Kalk entfernen. Das ist eine äußerst sichere Vorgehensweise, denn das Risiko, dass sich der Bohrkopf festfährt, ist gleich Null. Es gibt mir als Kardiologen einen größeren interventionellen Handlungsspielraum.“
Wie erwähnt ist die Sektion Kardiologie der Klinik für Innere Medizin im SAH derzeit der einzige Anbieter des Verfahrens in der Region. „Bisher haben wir etwa 20 Rotablationen pro Jahr durchgeführt. Die Orbitale Atherektomie wird unserer Ansicht nach weiter an Bedeutung gewinnen. Für sie spricht vor allem die Tatsache, dass nicht wie bisher aggressiv mit Druck in den Gefäßen gearbeitet werden muss, sondern ein schonendes Aufbohren stattfindet. Restkalkstrukturen können nahezu vollständig entfernt werden. Mehr interventionelle Möglichkeiten bedeutet konkret, dass viel mehr Patienten vor Folge-OPs, wie etwa einer Bypass-Operation, bewahrt werden können,“ so Ingo Maywald.
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